Raphael Beuing

Reiterbilder der Frührenaissance

Monument und Memoria

Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme –
Schriftenreihe des Sonderforschungsbereichs 496
Band 26

2010, 364 Seiten, 143 Abbildungen, Harteinband
2010, 364 pages, 143 figures, hardcover

ISBN 978-3-930454-88-4
Preis/price EUR 54,–

17 × 24cm (B×H), 900g

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Aus dem Inhalt / from the book:

Kurzzusammenfassung
Inhaltsverzeichnis
Schlussbemerkung

Kurzzusammenfassung:

Die womöglich eindrucksvollste Form eines Denkmals für eine Einzelperson war in der Neuzeit das Reiterstandbild. Als Schlüsselepoche für die Entwicklung dieses Monumenttyps, ja für die Memorialkultur im allgemeinen hat die italienische Frührenaissance zu gelten. Zwar hatte schon vor dem 15. Jahrhundert der Verstorbene am Grabmal seine Darstellung nicht nur als Liegefigur oder Beter, sondern gelegentlich auch als Reiter gefunden. Doch um 1440/50 begannen die Reiter, sich von den Grabmälern abzulösen und als freistehende Standbilder auf den Plätzen zu stehen.

Ziel dieser Arbeit ist es, das Quattrocento als Epoche des Umbruchs in der Denkmal- und Monumentsetzung zu erforschen und die Genese des neuzeitlichen öffentlichen Reitermonuments zu durchleuchten. Eingangs wird auf Grundlage der historischen und kunsthistorischen Memoria-Forschungen der letzten Jahrzehnte gezeigt, welche Frucht der Begriff der Memoria für das Verstehen der Reiterbilder tragen kann. Dem folgt die eingehende Analyse der verschiedenen, zwischen 1400 und 1490 entstandenen Grab- und Denkmäler mit Darstellungen von Reitern. Diese Betrachtungen ermöglichen es, künstlerische Einflußnahmen und Entwicklungen näher zu ergründen sowie die übergreifenden Aspekte und Charakteristika der Reiterbilder des Quattrocento neu zu bewerten, um abschließend das Vermächtnis dieser Monumente für die folgenden Jahrhunderte herauszustellen.

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Inhaltsverzeichnis:

I. VORBEMERKUNG

II. EINLEITUNG

1. Monument und Memoria

1.1. Grabmäler und liturgische Memoria – die Sorge für die Toten
a) Positionen der Forschung
b) Der eschatologische Befund
c) Liturgische Konsequenzen
1.2. Grabmäler und profane Memoria – der Appell an die Lebenden
2. Bildnisformen der hochmittelalterlichen Monumentalkunst
2.1. Frankreich und Deutschland
2.2. Italien
2.3. Das Reiterbild in der höfischen Kultur Europas

3. Mittelalterliche Reiterbilder in Italien

3.1. Der Reiter als Emblem
3.2. Monumentalisierung des Reiterbildes unter den Signoren Oberitaliens
3.3. Monumente der Condottieri in der Toskana

III. DIE GRABMÄLER IN SÜDITALIEN

1. Das Grabmal des Königs Ladislaus von Anjou-Durazzo in Neapel

1.1. Entstehungsgeschichte
1.2. Deutung

2. Das Grabmal des Ludovico Camponeschi in L'Aquila

2.1. Bestimmung des Monuments
2.2. Künstlerische Einordnung

IV. DIE GRABMÄLER IN OBERITALIEN

1. Das Monument des Cortesia da Serego in Verona

1.1. Die Familie und ihre Stiftungen
1.2. Künstler und Datierung
1.3. Bildprogramm
a) Skulptur
b) Malereien
1.4. Intention und Interessenten

2. Das Monument des Spinetta Malaspina aus Verona

2.1. Person und Stiftungen
2.2. Das Monument aus S. Giovanni in Sacco
a) Erhaltung und Veränderungen
b) Stilistische Einordnung und Attribution
2.3. Intention und Interessenten

3. Das Grabmal des Francesco Spinola

3.1. Die Person
3.2. Das Monument
a) Rekonstruktion
b) Die Künstler
3.3. Intention und Interessenten

4. Das Grabmal des Paolo Savelli in Venedig

4.1. Die Person
4.2. Stilistische Einordnung und Datierung
a) Sarkophag
b) Reiterstatue
4.3. Intention und Interessenten

5. Das Grabmal Sanguinacci in Padua

V. DIE FRESKEN IN FLORENZ

1. Das Grabmal des John Hawkwood

1.1. Chronologie
1.2. Künstlerische Genese des Reiterbildes von 1436
1.3. Hintergründe und Interpretationen
2. Das Grabmal des Niccolò da Tolentino
2.1. Chronologie
2.2. Hintergründe
2.3. Form und Gestalt

VI. DIE DENKMÄLER IN FERRARA, PADUA UND NEAPEL

1. Das Denkmal des Niccolò III. d'Este

1.1. Chronologie
1.2. Der Entstehungsprozeß
1.3. Rekonstruktion
1.4. Stilistische Einordnung
1.5. Der Sockel
1.6. Intention und Interessenten
1.7. Das Reitermonument im Kontext anderer Monumente der Este

2. Das Reitermonument des Gattamelata in Padua

2.1. Chronologie
2.2. Auftraggeber und Interessenten
2.3. Die Memoria des Gattamelata
2.4. Form und Gestalt

3. Ein Reiterdenkmal für König Alfonso in Neapel?

3.1. Der Triumphbogen am Castelnuovo
3.2. Die Rotterdamer Zeichnung
3.3. Eine Reiterstatue für Alfonso?
3.4. Die Reiterreliefs an den Stadttoren Neapels

VII. DIE GRABMÄLER IN DER 2. HÄLFTE DES 15. JAHRHUNDERTS

1. Das Grabmal des Annibale Bentivoglio in Bologna

1.1. Die Person und die Memoria der Familie
1.2. Das Relief
1.3. Intention und Interessenten

2. Reiterbilder in Rom und im Latium

2.1. Das Grabmal des Antonio Rido
a) Stilistische Einordnung
2.2. Das Grabmal des Roberto Malatesta
a )Aufstellung und Rekonstruktion
b) Errichtung und Intention
2.3 Das Grabmal des Giordano Orsini
a) Stilistische Einordnung
b) Intention und Resümee

VIII. REITERBILDNISSE FÜR LEBENDE ZEITGENOSSEN

1. Niccolò Piccinino
2. Giovanni Vitelleschi
3. Francesco Sforza in Brescia

IX. MEDAILLEN UND KLEINBRONZEN

1. Die Medaillen Pisanellos

1.1. Filippo Maria Visconti
1.2. Johannes VIII. Palaeologos
1.3. Sigismondo Pandolfo Malatesta
1.4. Gianfrancesco Gonzaga
1.5. Ludovico Gonzaga
1.6. Domenico Novello Malatesta
1.7. Alfonso von Aragon
1.8. Resümee

2. Die Kleinbronzen Filaretes

2.1. Die Statuette des Marc Aurel
2.2. Die Hektor-Statuette

X. VOTIVBILDER

XI. ZUSAMMENSCHAU

1. Personen
2. Interessenten und Anlässe
3. Typologien und die Entwicklung der Monumente

a) Grabmäler
b) Denkmäler
4. Rezeption der Antike
a) Aus der Literatur
b) Bestehende Statuen

5. Die Einheit und die Gestalt von Reiter und Pferd

XII. SCHLUSSBEMERKUNG

BIBLIOGRAPHIE

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SCHLUSSBEMERKUNG (Auszug)

Indem das Reiterbild im Laufe des 15. Jahrhunderts sich auf den imposanten und überwältigenden Eindruck konzentrierte, den ein Reiter auf seinem Pferd macht, und andere parallele Darstellungen und Nebenszenen abstreifte, kam es zu einer Monumentform, die in zahlreichen mittelalterlichen Bildnissen angelegt war, die es seit dem Altertum aber in dieser Größe und als freistehendes Standbild nicht mehr gegeben hatte. Die Antike war daher ein unumgängliches Muster, an das die Künstler zunächst anzuknüpfen hatten. Doch da die Gegenwart an ihre Monumente eigene Anforderungen von äußerer Gestalt, Charakter und Zweck stellte, konnten die antiken Vorbilder nicht identisch ins Quattrocento übertragen werden, und so suchten die Bildhauer und Maler, sie auf verschiedene Weise zu modifizieren und gleichzeitig zu übertreffen. Ohnehin darf das Reiterbild angesichts seiner Größe und Komplexität als ambitionierter gegenüber den meisten andere Bildnisformen der Frührenaissance erachtet werden und verlangt zumindest als Freidenkmal eine größere Berücksichtigung verschiedener, oben genannter Faktoren als andere Werke der Skulptur. Zur individuellen Ausprägung der Monumente ergab sich, daß die Identitäten der Reiter und ihre konkreten Taten nahezu austauschbar sind, nachdem das allgemeine kriegerische Verdienst oder der herrschaftliche Stand durch die Form des Bildnisses längst geklärt sind.

Wenn man am Ende nicht der Frage ausweichen will, ob mit den großen Reiterbildnissen der italienischen Frührenaissance der entscheidende Schritt zum profanen Denkmal gesetzt wurde, nähert man sich den in dieser Arbeit untersuchten Kunstwerken mit der modernen Terminologie der deutschen Sprache. Die Renaissance hatte keinen eigenen Begriff für ein Denkmal, wie die variierenden und unscharfen Bezeichnungen statua, sepultura oder cavallo allein für den Gattamelata zeigen. Vielleicht mag dies ja ein Indiz dafür sein, daß im Quattrocento tatsächlich eine neue Art von Monument entstanden ist, die noch schwer in Worte zu kleiden war. Entscheidend gewandelt hat sich das Monument im 15. Jahrhundert, indem es jeden Gedanken an Begräbnis und Grabort, in der Kirche oder auf dem Friedhof, aufgibt. Das nunmehr veränderte Monument darf als profan nicht im Gegensatz zu heilig (oder dem unscharfen neulateinischen Kunstwort sakral) verstanden werden, sondern nur im ursprünglichen Wortsinne als Ortsangabe, als »vor dem heiligen Bezirk«. Grundintention aller oben aufgezählter Monumente seit den frühesten Anfängen im Relief des Oldrado da Tresseno oder dem Sarkophag des Guglielmo Berardo bleibt die irdische, den Dargestellten rühmende Memoria, die landläufig als »profan« verstanden wird. Damit entfällt das an ein Denkmal wie den Gattamelata angelegte Kriterium der »Entsakralisierung«, da dies keine Kategorie war, in der das 14. und 15. Jahrhundert ihre Monumente zu erfassen suchten, wie die einleitenden Kapitel dieser Arbeit zeigen. Als weiteres Kennzeichen für ein Denkmal im modernen Sinne ist die Tatsache bedeutsam, daß eine realgeschichtliche Person oder ein historisches Ereignis im Zentrum der Memoria steht, was für den Marc Aurel und den Regisole in ihrer nachantiken Identität nicht zutreffen kann. Zuletzt ist ein bestimmtes Größenmaß, eine wahre Monumentalität für ein Denkmal erforderlich, die zweifelsohne in der Form des Reiterbildes eine kongeniale Steigerung erfährt. Rückblickend über zahllose Denkmäler der Neuzeit können so die Reitermonumente des venezianischen Söldnerführers und des Ferrareser Markgrafen mit einigem Recht als die ersten profanen Denkmäler der nachantiken Zeit bezeichnet werden.

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